Das verborgene Erbe der Flüsse: Hungersteine und Untiefen

Die Flüsse tragen in ihrem sanften Fließen ein verborgenes Erbe vergangener Zeiten. Immer wieder treten bei besonders niedrigen Wasserständen geheimnisvolle Gestalten an die Oberfläche: die Hungersteine. Diese markanten Gesteinsformationen, versehen mit Jahreszahlen und Inschriften, erzählen leise doch eindringlich von den Zeiten der Not und der Dürre, als Flüsse zu schmalen Rinnsalen wurden und die Schifffahrt zum Erliegen kam.

 

Hungersteine in der Elbe in Königstein / Sächsische Schweiz.

Hungersteine in der Elbe in Königstein / Sächsische Schweiz.

 

Die doppelte Bedeutung von Untiefen

Ganz anders verhält es sich mit den Untiefen, einem Januswort der Natur. In ihrer zweifachen Bedeutung beschreiben sie einerseits Bodenerhebungen oder seichte Gewässerstellen und andererseits bergen sie eine Gefahr für die Schifffahrt. Besonders in Zeiten des Niedrigwassers können sie zur Bedrohung werden und Schiffe stranden lassen oder von unvorhersehbaren Strömungen überrascht werden.

Hungersteine in der Elbe in Königstein / Sächsische Schweiz.

Hungersteine in der Elbe in Königstein / Sächsische Schweiz.

Das Geheimnis des Niedrigwassers der Elbe

Die Flusswasserspiegel sind stetigen Schwankungen unterworfen, die der natürlichen klimatischen Variabilität geschuldet sind. Doch manchmal offenbart sich ein außergewöhnliches Phänomen: das Niedrigwasser. Dieses hydrologische Ereignis kann einschneidende Folgen haben und verweist auf historische Extreme der Elbe. Die Niedrigwasserphänomene der Elbe erinnern daran, wie stark sich die Natur in der Geschichte bemerkbar gemacht hat.

 

Hungersteine in der Elbe in Königstein / Sächsische Schweiz.

Hungersteine in der Elbe in Königstein / Sächsische Schweiz.

 

Die stillen Zeugen der Vergangenheit

An den Ufern der Flüsse finden sich zahlreiche traditionelle Markierungen. Hochwassermarken sind deutliche Hinweise auf vergangene Hochwasserereignisse, die sich tief ins kollektive Gedächtnis eingebrannt haben. Doch nicht nur Hochwasser, sondern auch Niedrigwasser haben ihre stillen Zeugen: die Hungersteine und Untiefen. Diese markanten Punkte erinnern an eine Zeit, in der die Menschen aufgrund dürrebedingter Ernteausfälle hungerten und die Binnenschifffahrt eine lebenswichtige Transportader für Güter aller Art darstellte.

 

Hungersteine in der Elbe in Königstein / Sächsische Schweiz.

 

Hungersteine: Zeitzeugen der Vergangenheit und ihre Bedeutung

Hungersteine, jene sichtbaren und markanten Gesteinsformationen im Flussbett oder auf Gewässergründen, die bei Niedrigwasser zutage treten, bergen in sich nicht nur eine geologische Besonderheit, sondern auch eine historische Botschaft. Der Name „Hungerstein“ weist unmissverständlich auf die einstige Gefahr einer Hungersnot hin, die durch extreme Dürren und ausbleibende Ernten verursacht wurde.

In der Schifffahrt können niedrige Wasserstände schwerwiegende Folgen haben und zu Notzeiten führen. Die Binnenschifffahrt wird behindert, lebenswichtige Transportrouten werden unpassierbar und die Versorgung der Bevölkerung gerät in Bedrängnis.

Um diese Niedrigwasserperioden und deren historische Bedeutung festzuhalten, wurden Hungersteine oft mit Jahreszahlen oder Inschriften versehen. Im Gegensatz zu den Hochwassermarken, die die Höchstwerte von Hochwassern dokumentieren, erinnern die Hungersteine an die tiefsten Pegelstände, die Flüsse je erreicht haben.

Die Geschichte der Hungersteine reicht bis ins 15. Jahrhundert zurück, doch erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurden sie durch Berichte in Zeitungen und Reiseberichten einem breiteren Publikum bekannt. Überlieferte Jahresinschriften, darunter 1417, 1473, 1616, 1654 und 1666, verweisen auf vergangene Zeiten, in denen extreme Trockenheit und ihre Auswirkungen die Menschen prägten.

Ein eindrücklicher Bericht in der Teplitzer Zeitung vom 30. August 1876 verdeutlichte die dramatischen Auswirkungen des Niedrigwassers: „Die Elbe bietet in Folge der anhaltenden Dürre einen traurigen Anblick, wie er seit 1842 nicht mehr vorgekommen ist: überall ragen die Hungersteine hervor und der Meterpegel an der Dresdner Elbbrücke wird vom Wasser gar nicht mehr berührt. Auf der böhmischen Strecke ist die Dampfschifffahrt bereits wegen der Dürre eingestellt, zwischen Dresden und Tetschen wird dieselbe in einigen Tagen aufhören, wenn kein Regen kommt.“

Die Hungersteine sind somit nicht nur ein faszinierendes geologisches Phänomen, sondern auch ein wichtiges kulturelles Erbe, das uns an die Zeiten erinnert, als die Menschen noch stärker von den Launen der Natur abhängig waren. Sie zeigen uns, wie tiefgreifend sich der Wandel der Umwelt auf das Leben der Menschen auswirken kann und mahnen uns gleichzeitig, die Verletzlichkeit unserer Existenz auf diesem Planeten nicht zu vergessen.

 

Hungersteine in der Elbe in Königstein / Sächsische Schweiz.

 

Die Verbreitung der Hungersteine

Besonders entlang größerer Flussströme wie Elbe, Rhein, Mosel und Weser finden sich die Hungersteine. Ihre Präsenz entlang dieser Wasserwege ist ein Hinweis auf die Bedeutung dieser Flüsse für die damalige Gesellschaft. Vereinzelt tauchen sie auch an Binnengewässern auf, wie zum Beispiel am Mündesee nördlich von Angermünde.

 

Hungersteine in der Elbe in Königstein / Sächsische Schweiz.

Hungersteine in der Elbe in Königstein / Sächsische Schweiz.

 

Gefahren in den Tiefen

Die Untiefen, die sich in Form von Bodenerhebungen oder seichten Gebieten am Gewässergrund manifestieren, stellen seit jeher eine Gefahr für die Binnenschifffahrt dar. Gerade bei Niedrigwasser können sie ihre tückische Seite zeigen und Schiffe in Bedrängnis bringen. Die unbeherrschbaren Strömungen verlangen den Kapitänen und Besatzungen höchste Aufmerksamkeit ab.

 

Hungersteine in der Elbe in Königstein / Sächsische Schweiz.

Hungersteine in der Elbe in Königstein / Sächsische Schweiz.

 

Das verschwindende Erbe

Historische Kartenwerke halten viele dieser markanten Punkte, einschließlich der Untiefen, fest. Doch die Zeiten haben sich gewandelt. Mit dem Fortschritt der Technologie und der Ausbau der Gewässer wurden viele dieser Hindernisse entschärft oder sogar beseitigt. Die Spuren vergangener Zeiten drohen im Strom der Moderne zu verblassen.

Insgesamt offenbart das Erbe der Flüsse eine faszinierende Geschichte, die von den Auswirkungen des Klimas, dem Überlebenskampf vergangener Generationen und den unermüdlichen Bemühungen des Menschen erzählt. Es bleibt zu hoffen, dass die stillen Zeugen der Vergangenheit auch für kommende Generationen erhalten bleiben und ihre Geschichten weiterhin erzählen können, während die Flüsse weiter fließen und neue Kapitel schreiben.

 

Hungersteine in der Elbe in Königstein / Sächsische Schweiz.

Hungersteine in der Elbe in Königstein / Sächsische Schweiz.

 


Titelbild: Dr. Bernd Gross, CC BY-SA 3.0 DE, via Wikimedia Commons

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Weitere Bilder: eigene Aufnahmen aus Juli 2023 in Königstein

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